"rethinking airports"

Presseschau

Meldung vom 16.11.2004
Kommentar BauNetz

Ausstellung zum Flughafen Tempelhof in Berlin eröffnet City Terminal

Am 15. November 2004 wurde in der Haupthalle des Flughafens Tempelhof in Berlin eine Ausstellung mit dem Titel "Rethinking Airport" eröffnet. Darin zeigt der Stuttgarter Architekt Hans-Georg Brunnert neben dem von ihm realisierten neuen Flughafen Halle/Leipzig vor allem eine Entwurfsstudie zur Zukunft des Flughafens Tempelhof.

Nach der bisher verfolgten Politik soll der Flughafen Tempelhof bald geschlossen werden. Konkrete Pläne zur Nachnutzung der riesigen, denkmalgeschützten Gebäude gibt es bisher nicht. Der Vorschlag des Architekten Brunnert, den dieser ohne Auftrag entwickelt hat, sieht nun vor, die Gebäude des Flughafens Tempelhof als ein innerstädtisches Check-In-Terminal für den künftigen internationalen Großflughafen in Schönefeld zu nutzen. Tempelhof und Schönefeld würden nach Brunnerts Vorschlag mit einer ca. 17 km langen "Non-Stop-U-Bahn" miteinander verbunden, die die Trasse einer weitgehend brach liegenden Industriebahn nutzen könnte.

Anlässlich der Ausstellungseröffnung fand eine von der Initiative "plattformnachwuchsarchitekten.de" organisierte Podiumsdiskussion statt, in der die Chancen dieses Vorschlags erörtert wurden (siehe Kommentar).

Die Ausstellung ist noch bis Freitag, 19. 11. 2004 zu sehen, und zwar in den Räumen des Verkehrspolitischen Informationsvereins e.V., Haupthalle Flughafen Tempelhof, am Platz der Luftbrücke in Berlin. Die Öffnungszeiten sind täglich von 14-18 Uhr, der Eintritt ist frei. Bei großem Interesse kann die Laufzeit der Ausstellung verlängert werden.

Kommentar der Redaktion:

Die Berliner Flughafenpolitik ist seit Jahren vollkommen verfahren. Es gibt drei Flughäfen: Der extrem citynahe, traditionsreiche Flughafen Tempelhof (THF) bedient heute nur noch kleinere Regionalflieger, ist bei Vielreisenden aber sehr beliebt und bietet überdies Gewähr für eine zumindest teilweise Nutzung seiner imposanten Denkmalsubstanz. Nach dem "Konsensbeschluss" der Berliner Politik soll der City-Airport Tempelhof, der mit Tricks zum Verlustbringer schlecht gerechnet wird, so bald wie möglich geschlossen werden. Ein kürzlich ergangenes Gerichtsurteil beschert ihm noch eine Gnadenfrist bis zum Jahre 2006 - mindestens.

Da ist weiterhin Tegel (TXL), der ebenfalls beliebte und aus allen Nähten platzende Flughafen der kurzen Wege, die "Cash Cow" der Berliner Flughafenbetriebe. Auch dieser Flughafen soll geschlossen werden, sobald der neue Flughafen Berlin Brandenburg International (BBI) in Schönefeld in Betrieb geht. Schönefeld (SXF) ist heute unbeliebt, ungepflegt und schwer zu erreichen. Ihn benutzt nur, wer wirklich muss.

Wir haben also zwei funktionierende innerstädtische Flughäfen, die die Politik mit aller Macht und gegen den Willen der Nutzer zerschlagen will, und einen nicht funktionierenden, der mit hohem Aufwand völlig neu ausgebaut werden muss.
Als Gründe für die Zerstörung der innerstädtischen Flughäfen werden gar nicht einmal so sehr Lärm und Sicherheit, sondern wirtschaftliche genannt: Man meint, die ersehnte Drehkreuzfunktion (Hub) nur erreichen zu können, wenn sich jedweder Flugbetrieb an einem Standort bündelt (Single Airport). Dass mit Frankfurt und München, mit Paris, Amsterdam und London längst andere Orte diese Rolle eingenommen haben und Berlin nie die Bedeutung eines internationalen Hubs bekommen wird, wird dabei in typisch Berliner Größenwahn beiseite gewischt.

In diese verfahrene Situation platzt nun der Vorschlag eines engagierten Außenseiters, der die Debatte völlig neu aufmischt. Brunnert, der sich als Fachmann für Flughafenbau ausgewiesen hat, zerschlägt den gordischen Knoten mit seiner Idee, die Gebäude in Tempelhof als Check-In- und Ankunfts-Terminal für BBI zu benutzen. Die Passagiere geben ihr Gepäck hier ab und bekommen eine Bordkarte. Dann fahren sie mit einer internen U-Bahn, die womöglich führerlos wie ein People Mover in Großflughäfen funktioniert, zum Abflug-Gate in Schönefeld. Bei der Ankunft geschieht dies entsprechend umgekehrt.

Die Vorteile sind immens: Die extrem gute Anbindung Tempelhofs an das Nahverkehrsnetz mit U-Bahn und S-Bahn erleichtert und verkürzt die Wege. Nach Brunnerts Berechnungen würden pro Passagierbewegung durchschnittlich 19 Minuten Zeit gegenüber der bisher verfolgten Schönefeld-Lösung eingespart.

Die Baumaßnahmen könnten zeitlich gestreckt werden und Tempelhof nach Bedarf ausgebaut werden - man muss also nicht auf einen Schlag für 40 Millionen Gäste bauen, wo es heute erst 13 Millionen sind. Dennoch würde der bestehende Planfeststellungsbeschluss für Schönefeld nicht in Frage gestellt.
Man könnte außerdem den Flugbetrieb in Tempelhof im kleinen Umfang (und mit geringem finanziellen Aufwand) aufrecht erhalten, z.B. für Bundesregierung, Privatflieger und Medizinflüge. Genauso könnte man ein kleines Abfertigungs-Terminal in Schönefeld vorsehen für solche Gäste, für die Schönefeld leichter direkt zu erreichen ist.

Vor allem gibt es mit dem Brunnert-Vorschlag ein plausibles Nachnutzungskonzept für die weltberühmten Bauten von Tempelhof, die dann nicht mehr als Verlustbringer der ganzen FlughafenHolding herhalten müssten und auch der Öffentlichen Hand nicht mehr zur Last fallen würden.

Brunnert bringt die erforderlichen Funktionen in den weitläufigen Altbauten unter; erst in einer letzten Ausbaustufe müssten bisherige Höfe mit Glas gedeckt werden.

Der einzige Haken an der Sache wäre die "Havariefestigkeit" der "Nabelschnur" nach Schönefeld. Wenn hier ein Zug stecken bleibt, wäre der gesamte Flugbetrieb in der Region Berlin/Brandenburg völlig lahm gelegt. Brunnert lässt sich von renommierten Fahrzeug-Experten beraten, um hier eine Rückfallebene einzubauen. Im übrigen: Gegen höhere Gewalt ist man nie gefeit; auch Glatteis und Unwetter legen regelmäßig ganze Flughäfen - und damit den vernetzten internationalen Flugbetrieb - lahm.

Brunnerts Vorschlag hat nur Vorteile, doch die Politik reagiert wie immer: Da könnte ja jeder kommen. Die Stadtentwicklungsverwaltung habe ihm lapidar mitgeteilt, der Vorschlag sei nicht realisierbar, allerdings ohne dies näher zu begründen. Der Regierende Bürgermeister hält reflexartig am "Konsensbeschluss" fest; das Fass soll nicht mehr aufgemacht werden. Ein Mitarbeiter der Senatskanzlei hat Brunnert immerhin gefragt: "Warum kommen Sie erst jetzt damit?" Brunnerts Antwort: "Weil nicht ich, sondern Sie dafür zuständig sind".

Die Podiumsdiskussion war bewusst nicht mit Politikern besetzt worden. Als Vertreter der "herrschenden Meinung" der Berliner Politik hatte man aber offenbar den ehemaligen Chef der Flughafen-Holding, Götz Herberg, gesetzt. Er lobte immerhin an Brunnerts Konzept die Nachnutzung von Tempelhof, brachte dann aber ein entlarvendes Argument dagegen: Bei Brunnerts Vorschlag würden die Gäste zuwenig Geld in den Flughafenläden lassen. Dieses Geld brauche man aber, um Flughäfen bauen und betreiben zu können.

Dies ist der Offenbarungseid einer jeglichen Verkehrspolitik: Es wird die verkehrstechnisch schlechtere Variante umgesetzt, um mehr Geld mit Shopping-Schnickschnack zu verdienen. Wer diese Welt normal findet, werde bitte Politiker in Berlin. Alle anderen mögen sich für den BrunnertVorschlag einsetzen. Immerhin: Ein fraktionsübergreifender Gruppenantrag ist bereits in den Bundestag eingebracht worden.

- tze
www.BauNetz.de

Der neue Berliner Kulturkampf

Meldung vom 11.11.2004 - DIE ZEIT Feuilleton

(...) Und doch ist das alles nicht wirklich in Ordnung. Berlin kann seine alte Neigung zur Kungelei nicht ablegen; nur dass die strippenziehenden Milieus ausgetauscht wurden und sich die Schauplätze aus dem Westen nach Mitte verlagert haben. Die Tagesspiegel-Episode erzeugt den Eindruck, dass auch die publizistische Öffentlichkeit in der Stadt nicht so transparent sei wie nötig. (...)

- Thomas E. Schmidt
www.zeit.de

Lebenszeichen Rummelplatz

Meldung vom 11.11.2004 - DIE ZEIT Leben

(...) Seit 15 Jahren versuchen sie, in Berlin einen Großflughafen zu bauen. Es klappt einfach nicht. Ständig Probleme und Widerstand. Jetzt haben sie versucht, den Flughafen Tempelhof zu schließen. Sie dachten, wenn wir keinen Flughafen bauen dürfen, dann schließen wir wenigstens einen. Es klappt ebenfalls nicht, Probleme, Widerstand. Berlin ist die einzige Stadt der Welt, die gleichzeitig versucht, an der einen Stelle einen Flughafen zu bauen und an der anderen Stelle einen Flughafen zu schließen, und der beides nicht gelingt. (...)

- Harald Martenstein über Berliner Widerstände, DIE ZEIT Nr. 47
www.zeit.de